Pflegegrad 4: Voraussetzungen / Kriterien & Leistungen

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Pflegebedürftige Personen erhalten den Pflegegrad 4, wenn schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit vorliegen. Hier erfahren Sie, welche Voraussetzungen hierfür gelten und mit welchen Leistungen Sie in diesem Fall rechnen können.

Pflegegrad 4: Unterstützung für Menschen mit schwerster Beeinträchtigung der Selbstständigkeit

Wenn eine Pflegebedürftigkeit vorliegt, kann diese ganz unterschiedliche Ausmaße haben. Viele Menschen kommen noch größtenteils problemlos durch den Alltag. Nur bei wenigen Tätigkeiten benötigen sie fremde Hilfe. In anderen Fällen können sich die Betroffenen überhaupt nicht mehr selbstständig versorgen und benötigen selbst bei einfachsten Alltagstätigkeiten Unterstützung. Dementsprechend können der Aufwand für die Pflege und die dadurch entstehenden Kosten große Unterschiede aufweisen. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber fünf verschiedene Pflegegrade geschaffen.

Der Betreuungsbetrag, auf den die Betroffenen Anspruch haben, ist dabei ganz unterschiedlich. Die Einstufung hat daher großen Einfluss auf die Unterstützung, die sie erhalten. Dieser Artikel befasst sich mit dem Pflegegrad 4 – dem zweithöchsten Pflegegrad. Dieser wird vergeben, wenn schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit vorliegen.

Pflege: Immer mehr Menschen betroffen

Eine umfassende Pflege sicherzustellen, zählt zu den größten Herausforderungen der Gesellschaft. Eine immer höhere Lebenserwartung und eine niedrige Geburtenrate führen dazu, dass der Anteil an älteren Menschen an der Gesamtbevölkerung immer weiter angestiegen ist – und nach den Prognosen anerkannter Demografen auch in den nächsten Jahrzehnten weiterhin zunehmen wird. Die Wahrscheinlichkeit für eine Pflegebedürftigkeit steigt mit zunehmendem Alter deutlich an.

Das zeigt folgende Tabelle:

Pflegewahrscheinlichkeit im Alter
Alter Pflegewahrscheinlichkeit in Prozent
unter 60 1,2
60-80 6,3
über 80 35,0

Diese Statistik zeigt deutlich, dass ein enger Zusammenhang zwischen dem Alter und der Pflegewahrscheinlichkeit besteht. Das Durchschnittsalter steigt in der Bundesrepublik bereits seit Jahrzehnten kontinuierlich an.

Pflegebedürftige Personen erhalten den Pflegegrad 4, wenn schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit vorliegen.

Pflegebedürftige Personen erhalten den Pflegegrad 4, wenn schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit vorliegen.(#02)

Da überrascht es nicht, dass auch die Zahl der Pflegebedürftigen immer größer wird:

Leistungsbezieher der sozialen Pflegeversicherung
Jahr Anzahl
2000 1.822.169
2001 1.839.602
2002 1.888.969
2003 1.895.417
2004 1.925.703
2005 1.951.953
2006 1.969.392
2007 2.029.285
2008 2.113.485
2009 2.235.221
2010 2.287.799
2011 2.315.436
2012 2.396.654
2013 2.479.590
2014 2.568.936
2015 2.665.109
2016 2.749.201
2017 3.301.999

Diese Auflistung zeigt eindrücklich, wie stark sich die Zahl pflegebedürftiger Menschen in den letzten Jahren erhöht hat. Allein zwischen den Jahren 2000 und 2017 kam es beinahe zu einer Verdopplung der Fälle.

Pflegegrade: Ein neues System für eine bessere Pflege

Die immer größere Zahl an Leistungsempfängern geht jedoch nicht alleine auf die alternde Gesellschaft zurück. Darüber hinaus kam es auch zu einer grundlegenden Überarbeitung der gesetzlichen Grundlage der Pflegeversicherung. Zum Jahresbeginn 2017 trat das Pflegestärkungsgesetz II in Kraft. Dieses erhöhte nicht nur die Leistungen für die meisten Pflegebedürftigen. Darüber hinaus führte es ein neues Bewertungssystem ein. Zuvor gab es vier verschiedene Pflegestufen.

Seit 2017 ist jedoch ein System aus fünf Pflegegraden in Kraft. Der Pflegegrad 1 wurde dabei für Personen geschaffen, bei denen nur eine geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit vorliegt und die zuvor keine Pflegestufe erhalten haben. Das erklärt auch, weshalb es gerade zwischen 2016 und 2017 zu einem so starken Anstieg der Leistungsempfänger kam.

Die immer größere Zahl an Leistungsempfängern geht jedoch nicht alleine auf die alternde Gesellschaft zurück.

Die immer größere Zahl an Leistungsempfängern geht jedoch nicht alleine auf die alternde Gesellschaft zurück.(#03)

Pflegegrad 4: Die Voraussetzungen

Wenn Sie den Verdacht haben, dass Sie selbst oder einer Ihrer Familienangehörigen pflegebedürftig ist, müssen Sie zunächst einen Antrag bei der Pflegekasse stellen. Daraufhin kommt es zu einer Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Wenn Sie eine private Pflicht-Pflegeversicherung abgeschlossen haben, dann übernimmt diese Aufgabe das Unternehmen MEDICPROOF.

In beiden Fällen beruht die Untersuchung auf dem Neuen Begutachtungsassessment (NBA). Dieses bewertet folgende Aspekte:

  • Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte
  • Krankheits- oder therapiebedingte Anforderungen
  • Selbstversorgung
  • Verhalten und psychologische Problemlagen
  • Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
  • Mobilität

In jedem dieser einzelnen Bereiche vergeben die Gutachter Punkte. Je unselbstständiger die Patienten sind, desto mehr Punkte erhalten sie. Allerdings ist die Gewichtung der einzelnen Aspekte unterschiedlich. Die Selbstversorgung fließt beispielsweise mit einem Anteil von 40 Prozent in die Bewertung ein und stellt damit den wichtigsten Gesichtspunkt dar. Das bedeutet, dass das Hauptaugenmerk der Bewertung darauf liegt, zu ermitteln, ob sich die betroffene Person im Alltag noch alleine versorgen kann.

Die Einstufung in Pflegegrad 4 erfolgt, wenn die Punktzahl bei diesem Gutachten zwischen 70 und 90 liegt. Das zeigt bereits deutlich, dass hierfür eine sehr schwere Beeinträchtigung vorliegen muss, die fast alle Bereiche umfasst.

Wenn Sie den Pflegegrad 4 erhalten haben, dann ist es sehr wichtig, zu wissen, auf welche Grundleistung Sie Anspruch haben.

Wenn Sie den Pflegegrad 4 erhalten haben, dann ist es sehr wichtig, zu wissen, auf welche Grundleistung Sie Anspruch haben.(#04)

Direkte Überführung bei bereits zuvor anerkannter Pflegestufe

Dieses Bewertungssystem wird angewandt, wenn ein neuer Antrag auf Leistungen durch die Pflegeversicherung vorliegt oder wenn eine Neueinstufung erforderlich ist. Wenn Sie jedoch bereits vor der Umstellung eine anerkannte Pflegestufe hatten, dann wird der Medizinische Dienst der Krankenversicherung nicht aktiv.

In diesem Fall kommt es zu einer automatischen Anpassung. Pflegebedürftige, die zuvor in die Pflegestufe 3 eingestuft waren, werden automatisch in Pflegegrad 4 überführt. Das trifft auch für Patienten zu, die zuvor in Pflegestufe 2 waren, bei denen jedoch zusätzlich eine eingeschränkte Alltagskompetenz diagnostiziert wurde.

Das Pflegegeld für pflegende Angehörige

Wenn Sie den Pflegegrad 4 erhalten haben, dann ist es sehr wichtig, zu wissen, auf welche Grundleistung Sie Anspruch haben. Daher zeigen die folgenden Abschnitte auf, welche Zuschüsse Sie beantragen können und wie hoch jeweils der Endbetrag ist. Von großer Bedeutung ist dabei das Pflegegeld. Dieses erhalten die Pflegebedürftigen direkt ausgezahlt und sie können frei darüber verfügen. In der Regel kommt es zum Einsatz, um die Angehörigen, die die Pflege übernehmen, zu entschädigen.

Bei schweren Pflegefällen sind die Anforderungen so hoch, dass die Angehörigen in der Regel ihrem Beruf nicht mehr nachgehen können. Damit ihr Lebensunterhalt dennoch abgesichert ist, ist es üblich, dass sie dieses Geld erhalten. Der Betrag liegt hierbei bei 728 Euro pro Monat.

Pflegesachleistungen: Unterstützung durch professionelle Pflegedienste

Die Pflege einer schwer pflegebedürftigen Person ist körperlich sehr belastend. Da es sich bei den pflegenden Angehörigen häufig selbst um ältere Menschen handelt, sind diese dazu oftmals nicht in der Lage. Daher ist es gerade bei Pflegegrad 4 üblich, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. In diesem Fall erhalten die Pflegebedürftigen täglich Besuch durch einen professionellen Pflegedienst, der die Grundleistung im Bereich der Pflege übernimmt.

Die Angehörigen sind in diesem Fall nur für die Betreuung zuständig. Die Pflegekasse kommt auch für diese Sachleistung auf. Der hierfür verfügbare Betrag liegt bei 1.612 Euro pro Monat. Dieses Geld erhalten die Betroffenen jedoch nicht ausbezahlt. Die Pflegedienste müssen die Pflegesachleistungen direkt mit der Pflegekasse verrechnen. Wenn Sie diese Dienste in Anspruch nehmen, dann haben Sie jedoch keinen Anspruch mehr auf das Pflegegeld. Lediglich wenn Sie nicht den gesamten Betrag ausschöpfen, wird Ihnen dieses anteilig ausbezahlt.

Eine pflegebedürftige Person verursacht viel Arbeit im Haushalt. Um diesen Aspekt auszugleichen, erhalten Sie auch Betreuungs- und Entlastungsleistungen.

Eine pflegebedürftige Person verursacht viel Arbeit im Haushalt. Um diesen Aspekt auszugleichen, erhalten Sie auch Betreuungs- und Entlastungsleistungen.(#05)

Betreuungs- und Entlastungsleistungen bei Pflegegrad 4

Eine pflegebedürftige Person verursacht viel Arbeit im Haushalt. Um diesen Aspekt auszugleichen, erhalten Sie auch Betreuungs- und Entlastungsleistungen. Hierfür steht ein Endbetrag von 125 Euro pro Monat zur Verfügung. Diesen können Sie beispielsweise für eine Haushaltshilfe, für eine Alltagsbegleitung oder für eine Einkaufshilfe in Anspruch nehmen. Auch wenn Sie zusammen mit anderen Pflegebedürftigen an einer Betreuungsgruppe teilnehmen, können Sie den Betreuungsbetrag aus dem Budget für die Betreuungs- und Entlastungsleistungen begleichen.

Kurzzeit- und Verhinderungspflege

Gerade bei pflegebedürftigen Personen kommt es immer wieder vor, dass diese an einer zusätzlichen Erkrankung leiden. Das führt dazu, dass sie noch mehr Unterstützung benötigen. Die Angehörigen kommen mit diesem erhöhten Pflegeaufwand jedoch häufig nicht mehr zurecht. Bei einer Erkrankung, bei der voraussichtlich bald eine Heilung eintritt, ist es jedoch nicht sinnvoll, gleich den Pflegegrad zu erhöhen, um weitere Leistungen zu erhalten. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber ein Recht auf Kurzzeitpflege geschaffen. Dieses wird insbesondere nach einem Krankenhausaufenthalt oder nach einer sonstigen schweren Erkrankung in Anspruch genommen.

Der hierfür verfügbare Betrag liegt bei 1.612 Euro pro Jahr und die Maximaldauer liegt bei 28 Tagen. Genau die gleichen Werte gelten für die Verhinderungspflege. Diese ist für den Fall vorgesehen, dass die pflegenden Angehörigen selbst krank werden oder Urlaub benötigen. So ist es möglich, für diesen Zeitraum einen professionellen Pflegedienst zu engagieren. Wenn Sie nur eine dieser beiden Leistungen in Anspruch nehmen, dann erhöht sich der verfügbare Betrag für die andere Sachleistung.

In diesem Fall haben Sie Anspruch auf acht Wochen Kurzzeitpflege mit Kosten von maximal 3.224 Euro beziehungsweise auf sechs Wochen Verhinderungspflege mit einem Höchstbetrag von 2.418 Euro. Während Sie die Verhinderungs- oder Kurzzeitpflege in Anspruch nehmen, erhalten Sie die Hälfte Ihres Pflegegeldes weiterhin ausbezahlt.

Tages- oder Nachtpflege

Für die pflegenden Angehörigen stellt es eine große Entlastung dar, wenn die Betroffenen einen Teil ihrer Zeit in einer spezialisierten Einrichtung verbringen. Hierfür bietet sich eine teilstationäre Tages- oder Nachtpflege an. Hierfür stehen zusätzlich zu den bisherigen Leistungen 1.612 Euro pro Monat zur Verfügung.

Für die pflegenden Angehörigen stellt es eine große Entlastung dar, wenn die Betroffenen einen Teil ihrer Zeit in einer spezialisierten Einrichtung verbringen.

Für die pflegenden Angehörigen stellt es eine große Entlastung dar, wenn die Betroffenen einen Teil ihrer Zeit in einer spezialisierten Einrichtung verbringen.(#01)

Weitere Leistungen durch die Pflegekasse bei Pflegegrad 4

Darüber hinaus übernimmt die Pflegekasse noch viele weitere Leistungen. Beispielsweise haben Sie Anspruch auf Pflegehilfsmittel. Hierfür erhalten Sie einen Pauschalbetrag von 40 Euro pro Monat. Wenn die Pflegehilfsmittel in der Hilfsmitteltabelle aufgelistet sind, können Sie diese außerdem separat abrechnen. Außerdem erhalten Sie einen Zuschuss für die Einrichtung eines Hausnotrufs und für die monatlichen Gebühren, die dadurch entstehen. Das erhöht die Sicherheit der Betroffenen und führt dazu, dass die pflegenden Angehörigen auch hin und wieder das Haus verlassen können, ohne dass sie dafür eine Betreuung organisieren müssen.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass viele Wohnungen nicht behindertengerecht gestaltet sind. Das erschwert die Pflege deutlich. Aus diesem Grund erhalten Sie auch einen Zuschuss für die barrierefreie Wohnraumanpassung. Dieser kann bis zu 4.000 Euro pro Maßnahme betragen. Dieses Geld können Sie beispielsweise für einen Treppenlift oder für die Gestaltung eines barrierefreien Badezimmers nutzen. Schließlich haben die Angehörigen, die sich um die pflegebedürftige Person kümmern, Anrecht auf unentgeltliche Pflegekurse.

Stationäre Pflege: Bei Pflegegrad 4 häufig notwendig

Der Pflegegrad 4 umfasst Personen, die im Alltag sehr viel Hilfe benötigen. Nicht immer finden sich Angehörige, die in der Lage oder Willens dazu sind, diese schwierige und belastende Aufgabe zu übernehmen. In diesen Fällen ist die stationäre Pflege in einem Pflegeheim sinnvoll.

Die folgende Tabelle zeigt, dass dies gerade bei den höheren Pflegegraden üblich ist:

Ambulante und stationäre Leistungsempfänger nach Pflegegrad
Pflegegrad ambulant stationär
Pflegegrad 1 163.031 4.125
Pflegegrad 2 1.269.170 186.850
Pflegegrad 3 695.620 240.933
Pflegegrad 4 285.356 224.160
Pflegegrad 5 108.889 123.865

Die Werte machen deutlich, dass bei Pflegegrad 4 beinahe die Hälfte der Patienten stationär behandelt wird. Nur bei Pflegegrad 5 ist der Anteil noch größer. Wenn Sie sich für die stationäre Behandlung entscheiden, erhalten Sie hierfür 1.775 Euro von der Pflegeversicherung. Sie müssen jedoch berücksichtigen, dass dadurch die Kosten für den Heimaufenthalt nicht gedeckt sind. Daher müssen Sie mit einem erheblichen Eigenanteil rechnen.


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